Susanne Bisovsky: „Zwischen Stolz, Rührung und Anmut“

Susanne Bisovsky ist eine der außergewöhnlichsten Designerinnen Österreichs. In ihren Salon in Wien einzutreten, ist ein Erlebnis. Mit dem OTTO Magazin spricht sie über das Spannende an bedeckter Haut, Stil, Humor und den Wert der Provokation in ihrer Arbeit. Und sie erzählt von dem Moment der Verwandlung ihrer Kundinnen vor dem Spiegel …

Eine Bloggerin stellte einen Beitrag über Ihre Arbeit unter den Titel „Zieht mehr an!“. Ihre Kleider zeigen oftmals keine Haut – und wirken doch erotisch. Welche Form der Erotik ist das?

Bisovsky: Gerade in Zeiten, wo die „Präsentation“ von Haut beliebig geworden ist (und das wohl auch kaum jemand mehr als besonders sexy oder aufreizend empfindet) bin ich eine Verfechterin von Bedecken von Haut. Erstens, weil sich mir viel mehr Möglichkeiten bieten, und zweitens, weil es in 99 Prozent der Fälle spannender aussieht …

 

Es muss ein Erlebnis sein, als Frau Ihre Kleider anzuprobieren. Wenn Sie dabei sind: Was können Sie da beobachten?

Bisovsky: Tatsächlich ist es für mich jedes Mal ein Erlebnis, mit welcher Freude und Euphorie diese Termine ablaufen. Es lässt sich auch ein nachhaltiger Vorher-Nachher-Effekt an meinen Kundinnen ablesen. Als deutliches erstes Merkmal ändert sich die Haltung vor dem Spiegel. So in etwa zwischen Stolz, Rührung und Anmut fällt mir spontan ein …

 

Gibt es Grundregeln im Kleiderstil, die Sie Ihren Kundinnen mitteilen?

Bisovsky: Die Grundregel lautet: Jede Frau weiß meistens recht genau, wo ihre starken und schwachen Seiten liegen. Ich würde nie versuchen, einer Kundin einzureden, die Oberarme zu zeigen, nur weil es das Modell verlangt, wenn klar ist, dass die Oberarme eine Schwachstelle sind.

 

Ihre Prêt-à-porter-Kollektion haben Sie „Mitgift“ genannt. Ist das ein Statement gegen die Schnelllebigkeit der Moden und die Wegwerf-Mentalität?

Bisovsky: In jedem Fall. Wer sich für die Mitgift entscheidet, wählt einen Stil und keine Modeerscheinung. Idealiter wünsche ich mir, dass die Trägerin meiner Kleidung einzelne Stücke weitervererbt, weil sie sie zeitlebens so gerne getragen hat – auch darum Mitgift.

 

Ihre Kleider wirken auch wie ein Statement gegen die Nüchternheit und das Banale, die Fantasielosigkeit und in gewisser Weise auch gegen die Mäßigung. Ihre Kleider wirken, als könnten sie Träume erfüllen.

Bisovsky: Ich höre das wirklich sehr oft von Kundinnen und es erreichen mich viele begeisterte E-Mails aus aller Welt. Mehr kann man sich als Kleidermacherin wohl kaum wünschen.

 

Welche Rolle spielt der Humor in Ihrer Arbeit?

Bisovsky:  Humor und das berühmte Augenzwinkern sind Grundlagen meines Zugangs zu Mode und Bekleidung, dazu gehört auch der Abstand zur eigenen Person (wenn auch nur über den Spiegel).

 

Welche Rolle spielt Kitsch?

Bisovsky: Kitsch passt genauso zu meiner Arbeit wie „ernste“ Designüberlegungen. Alles hat jedoch auch mit Humor zu tun, wenn er fehlt, ist die „Schlacht“ fast schon verloren.

 

Angenommen, auf einem Fest treffen zwei in Bisovsky eingekleidete Frauen auf einander. Das sind doch glatteste Rivalinnen, oder?

Bisovsky: Da meine Kundinnen den eben angesprochenen Humor besitzen, sind solche Ereignisse meist der Einstieg in gute Gespräche oder wohlwollendes sich Zunicken. In der Haute Couture-Linie kann so etwas sowieso nicht passieren, da es allesamt Einzelstücke sind.

 

Ihre Arbeit lässt erkennen, dass Sie gerne mit Klischees spielen. Mit welchen am liebsten?

Bisovsky: Klischees entwickeln sich nur dann, wenn eine Sache eine starke Relevanz und Vorgeschichte mitbringt. Besonders in der Kleidung hat mich dieser Aspekt stets brennend interessiert. Wie schafft es ein Kleidungsstück, dass es zum Klischee wird?! Warum verbinde ich das rotkarierte Hemd meiner Kindheit mit Ausflügen und großen Wanderungen etc.

 

Muss man jung sein wie das Wiener Mädl oder kann man auch als Dame fündig werden?

Bisovsky: Das Wiener Mädel bis hin zur Wiener Dame, alle werden bei mir fündig. Manchmal sind Mädels ältliche Damen und manchmal ist es umgekehrt. Unlängst hat mich die New Yorker Stilikone Iris Apfel besucht, und sie war genau so ein 95-jähriges Mädel und Model.

 

Sie sagten, dass Sie sich gerne in Paris messen und gerne von den wirklich Großen beurteilt werden würden. Wessen Urteil hat Ihnen bisher am meisten bedeutet?

Bisovsky: Urteile von Menschen wie Suzy Menkes, die genau hinsehen und auch zuhören können. Oder von Karl Lagerfeld, der mein Wiener Mädel als typische Pariserin bezeichnet. Des Weiteren die ausführlichen Gespräche mit Helmut Lang, die Arbeit für J. C. Castelbajac und Kathleen Madden: All diese Begegnungen liefen meist unaufgeregt, aber sehr eindringlich ab.

 

Sie haben, zusammen mit ihrem Partner, dem Schuhdesigner Joseph Gerger, ein Archiv über die vergangene Welt des Kleidertragens angelegt: über Kleidung wider die Pest, das Backen von Röcken, gekalkte Hüte, gepiercte Flügelhauben, verschiedene Arten von Trauer, Blutröcke oder ein Leben lang nicht gewaschene Kleidungsstücke. Faszinierend!

Bisovsky: Ohne meinen Partner wäre es nur die halbe Marke. Er hat mich gelehrt, dass Provokation genauso wichtig wie Ästhetik sein kann. Wir reiben uns fast täglich an den Begrifflichkeiten und ringen um die Definition unserer Arbeit, die leider oft missverstanden in der sogenannten Trachten-Ecke landet.

 

KONTAKT:

SUSANNE BISOVSKY SALON

Haute Couture & Prêt-à-porter, Seidengasse 13, 1070 Wien

www.bisovsky.com

Foto: SUSANNE BISOVSKY Udo Titz

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